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Prof. Dr. Christoph Wanner, Leiter der Nephrologie am Universitätsklinikum Würzburg und Präsident der ERA.
Herr Prof. Dr. Wanner, wie erklären Sie den erwarteten Anstieg von Nierenkrankheiten?
Prof. Dr. Christoph Wanner: Es gibt mehrere Gründe, darunter a) demographische Veränderungen und erhöhte Lebenserwartung, b) die Zunahme von Diabetes mellitus Typ 2 und Bluthochdruck, sowie c) verarbeitete Lebensmittel und Übergewicht.
Könnten Vorsorgeuntersuchungen, z.B. von Albuminurie, den befürchteten Anstieg stoppen?
Ein ansteigender Albuminspiegel im Urin ist das erste Zeichen einer Nierenschädigung und geht dem Rückgang der Nierenfunktion voraus. Ein einfacher Labortest, am besten eine Bestimmung des Urinalbumin-zu-Kreatinin-Verhältnisses (UACR, auf englisch „urinary albumin to creatinine ratio“) mit Hilfe einer Urinprobe, wäre für Risikopatienten ausreichend.
Wie sollte die Diagnostik verändert werden, um Nierenschädigungen auch bei symptomfreien Patienten über 50 möglichst frühzeitig zu erkennen?
Bestimmen Sie die Nierenfunktion (UACR und eGFR) einmal im Jahr. Umfragen und Kohortenstudien zeigen, dass die zweitausend Jahre alte Erkenntnis „Prüfe dein Herz und deine Nieren“ (zitiert aus der Bibel) in den letzten Jahren vernachlässigt wurde. Wir konzentrieren uns meistens auf das Herz und vergessen die Nieren. Wir brauchen eine Fokusänderung.
Wie früh kann die UACR im Vergleich zur eGFR eine Nierenschädigung erkennen?
Der Anstieg von Albumin im Urin geschieht schon Jahre bevor Nierenkrankheiten bei Patienten mit Diabetes mellitus und Bluthochdruck offensichtlich werden. Es ist nie zu früh.
Was sind Ihre wichtigsten Ratschläge, um Nierenproblemen vorzubeugen, bevor die ersten Symptome einer Nierenerkrankung auftreten?
Jede Person über 50 sollte ihr ABCDE Profil kennen. Das steht für Albuminurie, Blutdruck, Cholesterin, Diabetes, estimated Glomerular Filtration Rate (eGFR, auf deutsch „geschätzte glomeruläre Filtrationsrate“). Das A und E Profil sollte bei Risikopatienten jedes Jahr bestimmt werden. Das ABCDE Profil gibt auch Aufschluss über das Risiko für kardiovaskuläre Erkrankungen, sogar bei gesunden Menschen.
Wie finde ich die beste Therapieoption für mich?
Haus- und Fachärzte freuen sich zur Zeit, dass sie Ihren Patienten neue effektive Therapien anbieten können, die über Veränderungen des Lebensstils hinausgehen. Diese Therapien sind neuartige Medikamente, die die Nierenfunktion auf dem Weg zum Nierenversagen stabilisieren und so das Fortschreiten der Erkrankung aufhalten können.
Welche Chancen sehen Sie darin, am Weltnierentag Menschen für das Thema zu sensibilisieren?
Der Weltnierentag ist eine einmalige Gelegenheit, über soziale Medien eine weite Bevölkerung zu erreichen, und auch andere Medien greifen das Thema auf und verbreiten es. Europäische und internationale Fachverbände leiten Informationen an medizinisches Fachpersonal weiter, die wiederum die Bevölkerung über lokale Presseaktivitäten informieren können. An diesem Tag können viele Fachärzte mit den Aktionen erreicht werden.
Welche Änderungen wünschen Sie sich für die nahe Zukunft, um die erwartete Zunahme von Nierenkrankheiten zu verhindern?
Ein Augenmerk auf die Krankheit durch Untersuchungen auf Albuminurie ist entscheidend. Gesundheitssysteme (Regierungen oder Geldgeber) sollten die Kosten für Nierenuntersuchungen erstatten, besonders für die Albuminurie-Testung. Sie ist nicht in allen Europäischen Ländern Teil der Vorsorgeprogramme.